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Annie, meine Annie...
(† 11.05.2012)
Die Sache der Tiere
steht für mich höher
als die Sorge,
mich lächerlich zu machen.
Sie ist unlösbar verknüpft
mit der Sache des Menschen,
und zwar in einem Maße,
dass jede Verbesserung in
unserer Beziehung zur Tierwelt
unfehlbar einen Fortschritt
auf dem Wege zum
menschlichen Glück
bedeuten muss!
Emile Zola
Online seit dem: 30.07.2003
in Tagen: 7765
Ausgewählter Beitrag
Nur wegen eines Hundes!
Es war nur wegen eines Hundes. Er bewog das Leben dazu, mich auf etwas Elementares aufmerksam zu machen. Schon damals, in dem kleinen, viereckigen Hof, zu dem das Schlafzimmerfester
meiner Eltern schaute. Hör' genau zu! - hatte es gesagt. Verschlaf' nicht das
Wichtigste im Leben!
Präsentiert hatte sich diese Aufforderung in dem kleinen,
allein in einem Holzverschlag gelassenen Hundewelpen, der jämmerlich vor
sich hin winselte. Noch keiner aus der Familie hatte es gehört - ich war
hellwach. Sofort. Und bin dem Ruf des Kinderherzens gefolgt. In Schlafanzug und
Hausschuhe gekleidet, schlich ich mich hinunter in den Hof und kauerte, die
Hand durch das Gitter gestreckt, die halbe Nacht vor diesem Verschlag. Ich
wollte ihn beruhigen, weil ich das Unheil erahnte, das uns beide ereilen würde,
wenn seine und meine Eltern vom kläglichen Jammern ihres
wohlverdienten Schlafes beraubt würden.
Ein Hunde- und ein Menschenkind, verlassen von "allen guten Geistern".
Später verstand niemand das Kind, das heimlich tröstend die
"Abhärtung" des Welpen verhinderte, und niemand verstand den Welpen,
der sich einfach nicht daran gewöhnen konnte, nachts Ruhe zu halten. Die
Konsequenz lag auf der Hand: keine Ruhe, kein Welpe mehr. Die so profane
Schlussfolgerung, dass ein Welpe zu seinem Rudel gehört, zog niemand. Außer mir.
Aber mir gehörte der Welpe ja nicht.
Also saß ich, im Alter von 5 Jahren, im
Treppenhaus zwischen unserer und der Wohnung der Hundebesitzer, und arbeitete
im Geiste eine Rede aus. Über Hundeerziehung, über den nicht vorhandenen
Unterschied zwischen ihm und mir (wir waren beides Kinder!) und darüber, was
ich künftig von einer lieben Familie erwartete. Immer wieder begann ich Sätze
im Stillen, verwarf sie wieder und formte neue, die möglichst hart und
unnachgiebig klingen sollten. Nach gefühlten Stunden klopfte ich entschlossen
an der Tür der Nachbarn und trug mein Anliegen mit aufgeregter Stimme vor,
wild entschlossen, von den erstaunten Erwachsenen die bedingungslose Liebe zu ihrem
Hund einzufordern. Es tat ja offenbar sonst niemand.
Es hat Gelächter gegeben. Und die Erklärung, dass man schon wisse, was man tut.
Ich konnte nichts veranlassen, außer einem Erstaunen über meine
Redegewandtheit, aber die half dem kleinen Schäferhundekind nicht.
Seine Eltern fragten sich, woher ich die Unverschämtheit besäße, mich in ihre
Angelegenheiten so naseweis einzumischen; meine Eltern fragten sich
"woher sie das nur hat".
Einen eigenen Hund zu halten, blieb mir viele weitere Jahre versagt, und so tröstete ich mich als Gassigängerin mit den beiden Schnauzermädchen vom Schuster
Funke und dem Schäferhund Asco vom Feuerwehrmann Haupt. Manchmal, wenn von
den 7 Kindern des Pfarrers keines Zeit und Lust hatte, entließ ich auch klein Dackel Lucky ein
mal am Tag aus seinem kleinen Zwinger, der mir schon damals
völlig ohne jegliche Relation zum Rest des riesigen Pfarrgartens
zu sein schien.
Und das Leben wies mich weiter beharrlich darauf hin, dass es immer mindestens
ein Tier in meiner Nähe gibt, dem es nicht so gut geht, und dass es immer
mindestens 10 Menschen in meiner Nähe gibt, die nichts von dem nachempfinden
können, was mich im Bezug auf die Tiere bewegt. Ein ziemlich ungleiches Verhältnis,
wenn ihr mich fragt.
Es gab Zeiten, in denen ich 20 Hunde im Monat vermittelte. Mit allen Vorgesprächen, Vorbesuchen, Nachgesprächen und der Befassung mit dem Tier selbst und seinen Eigenschaften. Denn nun lebte ich nicht mehr nur in einem tierunfreundlichen Hinterhof, sondern in einem tierfeindlichen Europa, und die Not ist an vielen Stellen so groß, dass es allein die Ebene, auf der ich mich mit den Tieren sah, verlangte, dass jeder Tiernummer in einem Tötungszwinger der Versuch einer Vermittlung in ein Zuhause gegenüber stehen sollte. Natürlich schafft das kein Mensch. Auch viele zusammen nicht. Man versucht zu beschleunigen, erfindet Regelwerke und Formalien, um einen schnellstmöglichen und reibungslosen Ablauf der Tiervermittlung zu gewährleisten. Der Tierschutzvertrag als Krönung der Vermittlung(er)schöpfung. Davor gilt es, Selbstauskunftsbögen und Vorkontrollberichte auszufüllen. Wirkliches Zuhören... wirkliche Begegnungen, sind nicht mehr möglich. Das Telefon schluckt, was das Auge ohnehin nicht hatte sehen können. Und von den 20 Hunden, die man aus einer Spanischen Perrera vorn heraus holt, werden 21 Tiere durch die Hintertür nachgefüllt.
Nachdem ich selbst schwer erkrankt war und meine Zeit mit dem lieben Gott noch einmal nachverhandelt hatte, beschloss ich, nur noch wenige Tiere zu vermitteln. Und vor allem nur noch die, die ich selbst kennenlernen konnte. Das hieß aber auch, weniger Tieren helfen zu können. Und es hieß, die volle Wucht der Trennung ab zu bekommen, die man nur dann erfährt, wenn sich das Tier bereits im eigenen Heim und Herz befunden hatte. Man hätte das vorher nie für möglich gehalten, aber die Ansprüche an die Interessenten stiegen noch einmal. Mit dem besseren Wissen um das jeweilige Tier. Der Selbstauskunftsbogen verlor an Bedeutung. Ausgefüllte Formulare können nur Anhaltspunkte bieten. Und wer Schlechtes im Schilde führt, weiß spätestens nach dem zweiten Bogen beim zweiten Tierschutzverein, worauf es an kommt.
Ich habe ihn gestrichen, und mich auf Begegnungen eingelassen. Bei mir zu
Hause.
Ich
wollte nicht mehr die sein, die am Telefon gebetsmühlenartig Erfahrungswerte
weitergibt, um die Menschen auf das vorzubereiten, was ohnehin immer einer
Unbekannten „X“ unterliegt, nämlich dem Tier in der neuen Situation. Ich wollte
erst einmal zuhören. Genau hin hören. Was, für wen, warum… ohne Fragebogen und
ohne Zeitdruck. Eine schwierige Übung für jemanden, der es gewohnt war, die nächste,
arme Kreatur immer schon im Augenwinkel wartend, stehen zu sehen.
Mit
erstaunlichen Ergebnissen!
Die Begegnung mit jedem der Tiere auf Augenhöhe, hat wirkliche Begegnungen mit
den Menschen mit sich gebracht. Offen fröhliche, sentimental nachdenkliche,
erschütternd einfache … Begegnungen.
Sein Anliegen, sein Heim und sein Herz zu öffnen, hat nicht jeder Mensch zum Anlass dazu genommen, auch sorgsam damit umzugehen. Aber das kannte ich ja schon – von damals, aus dem Treppenhaus. Es aber immer wieder zu tun für das Tier, für die Sache und natürlich auch für mich, hat auch ganz wunderbare Zusammentreffen gebracht. Menschen, die ich nirgendwo anders hätte treffen können, als bei mir daheim. Und das alles immer nur, wegen eines Hundes.
Betty 20.08.2013, 17.32
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